Realisierungswettbewerb Anerkennung 11/2015
Auslober: Kath. Hochschulgemeinde St. Albertus, Mainz
Grundfläche: 22,7 qm, Höhe: 29,69 m (ohne Kreuz)
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Der neue Turm für die katholische Hochschulgemeinde St. Albertus soll in der Achse der Saarstraße als markantes Wahrzeichen weithin sichtbar auf den kirchlichen Ort hinweisen und beim Fahren in die Stadt oder aus der Stadt heraus gut sichtbar sein.
Bei genauerer Betrachtung vor Ort stellt sich jedoch ein weiterer Bezug in der städtebaulichen Wahrnehmung als fast noch wichtiger heraus. Der Turm wirkt mindestens ebenso so stark in die Richtung des Eingangs der Johannes Gutenberg-Universität. Dabei ist die Achse zum Eingang der Universität nicht orthogonal zur Achse der Saarstraße, sondern leicht eingedreht.
Dies wird zum entwurfsbestimmenden Thema bei der Gestaltung des neuen Turms. Der Baukörper nimmt die Achse zur Universität auf und wendet sich so spürbar und weithin sichtbar zum Campus hin - ohne sich dabei jedoch von jemand anderem abzuwenden - und formuliert so eine eindeutige Geste für die Verbundenheit der katholischen Hochschulgemeinde mit der Universität.
Gestalterisch liefern die Winkel der beiden Achsen (Saarstraße, Universität) die Grundlage für ein spannendes Spiel schräg zueinander eingestellter Flächen. Die Systematik wechselt einmal in einer Höhe von knapp 21 Metern und definiert so auf sichtbare Art und Weise die horizontale Gliederung in Schaft und Glockenstube. In der Gesamtheit entsteht so ein Turm mit skulpturaler Kraft und zeitgemässem architektonischen Ausdruck.
Im Grundriss liefern die Abmessungen der Glockenstube die Grundlage für die Geometrie des Turms, wobei dabei die Breite des Turms exakt der Breite der Sakristei entspricht. Der Turm wird nun auch ganz an die Sakristei herangerückt, nach Möglichkeit sollte man hier auch den Zugang zum Turm für Wartungszwecke im Inneren vorsehen.
Der Turm soll auch etwas höher werden als sein Vorgänger und reagiert so in seinen Proportionen auf das große Volumen des später dem Gemeindezentrum hinzugefügten Newmanhauses.
Die Verwendung von gelbem Ziegelmauerwerk stellt den Bezug zum Bestand her und erzeugt lebendige Oberflächen und eine wertige, dauerhafte Erscheinung. Das bereits angeschaffte Material kann dazu verwendet werden, ggfs. besteht auch die Möglichkeit das Abbruchmaterial des alten Turms ebenfalls wiederzuverwenden und mit den neuen Steinen zu mischen. Auch das alte Kreuz sollte wieder angebracht werden, sodass ein Stück vom alten Turm auch im neuen weiterlebt.
Die plastische Erscheinung des Bauwerks wird dabei mit angemessenen Mitteln erreicht. Die Konstruktion der Tragstruktur mit Betonfertigteilen ermöglicht eine einfache, schnelle Montage.
Die großen zusammenhängende Wandflächen können zügig gemauert werden. Die langen Kanten entlang der spitz zulaufenden Ecken können auf wirtschaftliche Art und Weise mit (zwei immer gleichen) Formsteinen hergestellt werden.
Der Verzicht auf Gestaltungselemente wie Versprünge, Gesimse etc. minimiert den zukünftigen Aufwand für die Unterhaltung. Die wenigen horizontalen Flächen (Fensterbänke im Bereich der Glockenstube) sind zugänglich und können zudem (von unten nicht sichtbar) mit einer wirksamen elektrischen Taubenabwehr ausgestattet werden.
Wie jedes Musikinstrument einen Resonanzkörper benötigt, so bedarf auch das Geläute zu einer vollkommenen Klangentfaltung eines Resonanzraumes. Die Glockenstube ist aufgrund der Geometrie zweiseitig geschlossen, die schrägen Leibungen gewährleisten dabei allerdings eine allseitige Schallabstrahlung. Auch Decke und Boden der Deckenstube werden geschlossen. Die Wandflächen der Glockenstube wirken als Frequenzmodulator zur Absorbierung gewisser Frequenzbereiche. Aufgrund der glatten Betonoberflächen sind stark geschlossene Schalllamellen erforderlich. Der Klang wird so gezwungen, den ganzen Luftraum der Glockenstube zum Mitschwingen zu bringen, um dann erst durch akustisch sinnvoll angeordnete und sparsam angelegte Schallöffnungen nach außen zu treten.
Zur Regulierung und Verbesserung der Schallabstrahlung sollen Schallläden aus Lärchenholz zum Einsatz kommen. Diese werden so gestaltet, dass sich ein Anteil von Schallöffnungen von drei bis max. fünf Prozent ergibt.
Insgesamt ergänzt der neue Turm das bestehende Gemeindezentrum zu einer gestalterischen Einheit und stellt durch seine inhaltliche und formale Ausstrahlung ein neues zeitgemässes und Identität stiftendes Erkennungszeichen für die katholische Hochschulgemeinde Mainz dar.
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1 hinwenden, richten auf, hinlenken, zuwenden, aufmerksam machen
2 wahrnehmen, bemerken, erkennen, aufpassen
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